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Mein inneres Team

Meine Ärztin hat mal zu mir gesagt, wenn man auf einem Trampolin springt und hoch fliegen möchte, muss man auch tief ins Trampolin hinein springen. Dieser Satz ist in meinem Kopf hängengeblieben. In meinem Leben gibt es nämlich sehr häufig genau diesen beide Extreme. Manchmal habe ich das Gefühl ich fliege, ich bekomme eine tolle Nachricht, hatte ein schönes Gespräch oder einen großartigen Plan im Kopf und platze fast vor Glück. Und dann gibt es diese Momente, oder manchmal sind es auch Zeiten, in denen mir der Boden unter den Füßen weggerissen wird. In denen es mir schwer fällt, den Sinn von allem zu begreifen oder ich die Ungerechtigkeit, warum ich CF habe, während - gefühlt - alle anderen nur so vor Gesundheit strotzen, nicht verstehe.

 

Diese Zeiten kennen wir wahrscheinlich alle und ich muss zugeben, manchmal überkommen mich so große Zweifel, die mich schier aufzufressen scheinen. Die Auslöser dafür können vielfältig sein. Eine Phase in der es meiner Lunge oder meinem Bauch schlecht gehen. Ich wochenlang nur in der Wohnung herumkrieche. Dann wieder eine Zeit, in der es mir gesundheitlich garnicht so schlecht geht, ich mich aber so überfordere mit meinem Alltag, oder so wenig Physiotherapie und Atemtherapie mache dass es mir sukzessive schlechter geht oder auch eine psychisch belastende Zeit. Ich habe die Tendenz (man denke ans Trampolin) alles in Extremen zu praktizieren. Ich bin ein Meister darin, mir meinen Alltag mit tausend Terminen vollzustopfen. Ich weiß, dass es mir nicht gut tut und trotzdem tue ich es.


Und dann wenn ich am Boden der Tatsachen angekommen bin? Nun ja. Ich glaube jeder kennt dieses Gefühl. Man hat den Bogen überspannt. Oder der Bogen wurde überspannt. Man hat keine Kraft mehr und manchmal weiß man auch nicht wie es weitergeht. Je nachdem wie lange dieser Zustand andauernd, wie ernst es ist oder wie verzweifelt man ist, kostet es einen den letzten Nerv. Ich neige dann dazu stark sein zu wollen. Mir nichts anmerken zu lassen. Frei nach dem Motto: was mich nicht umbringt, macht mich nur stärker. Was das bringt? Nichts. Dafür brauchte ich (und brauche es noch immer) verdammt lange um das herauszufinden. Ich merkte zwar an jedem Tiefpunkt, dass ich mal wieder einen Fehler gemacht hatte - der sich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit hätte vermeiden lassen können - aber wollte es trotzdem immer wieder herausfordern. Wer verleiht einem einen Orden dafür, dass man Abend für Abend weinend auf der Bettkante sitzt? Wer klopft einem auf die Schulter wenn man tagsüber tapfer ist und nachts einsam im Bett liegt und nicht schlafen kann weil man Angst hat? Ziemlich sicher keiner. Leider.
Ich brauchte Jahre um herauszufinden, dass ich traurig sein darf. Dass ich Angst haben darf. Dass ich wütend sein darf. Und dass ich es auch mal aussprechen darf.
Man muss sich nicht dafür schämen oder glauben man müsse stark sein.
Es tut mir weh wenn ich darüber nachdenke wie tapfer ich so viele Jahre war. Tapfer und keinem davon erzählt habe, wie es in mir aussieht. Man vergleicht sich lieber (sogar in solchen Zeiten) permanent mit anderen und bestraft seinen Körper dafür dass er nicht so leistungsfähig ist wie ein gesunder, als liebevoll und umsichtig mit sich umzugehen.
Wir geben unserem Körper die Schuld dafür, dass wir in dieser Situation stecken. Wir sind wütend auf ihn und verzweifelt deswegen, weil er nicht so sein kann, wie wir es uns wünschen.
Dabei ist es auf ihn wütend zu sein, als würden wir unserem Teampartner in einem Tennis-Doppel die Schuld für unseren Punktverlust in die Schuhe schieben Und ihn für alles verantwortlich machen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir uns entschieden haben gemeinsam mit unserem Körper auf die Welt zu kommen. Wir sind nicht zwei getrennte Einheiten. Körper und Geist. Wir sind eins. Wir sind ein Team. Und je besser wir gemeinsam funktionieren, je mehr wir ein Team sind und dem Teampartner die Dinge verzeihen, mit denen wir nicht einverstanden sind, desto besser geht es uns. Denn Gesundheit ist - wie wir alle wissen - eine Kombination aus körperlicher und geistiger also psychischer Gesundheit. Und je besser wir gemeinsam funktionieren, desto besser geht es sowohl unserem Körper, als auch unserer Psyche. Wenn wir einen Teil von uns immer leugnen. Unsere Ängste nicht zulassen, und gegeneinander kämpfen, dann wird ein Teil unseres Teams immer untergraben. Wie das geht? Dafür gibt es kein Rezept glaube ich. Jeder hat seinen eigenen Weg dafür, aber es ist ein Anfang sich darüber Gedanken zu machen und mal beide Teampartner zu Wort kommen zu lassen.

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