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Durchhalten, bitte

„Wahnsinn, was die für ein Durchhaltevermögen hat“ dachte ich mir, als Gesa Felicitas Krause neulich über 3000 Meter Hindernis souverän Europameisterin wurde. Fürs Durchhalten ist echter kampfergeist gefragt, in jeder Lebenslage eigentlich. Durchhalten ist wie eine eigene Disziplin, die einem nicht nur Selbstbeherrschung abverlangt, sondern einen auch immer wieder vor Herausforderungen stellt. Wer gut durchhalten kann, erreicht ziemlich häufig auch sein Ziel und hält Phasen, die an die Substanz gehen, besser durch.

Über einen längeren Zeitraum durchzuhalten, ist aber nicht gerade einfach. 

Ein paar Tage kann man schon mal etwas durchhalten, einige Monate oder sogar Jahre sind schon eine Nummer schwieriger - aber ein Leben lang? Das nimmt Dimensionen an, die man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann – und es vielleicht auch gar nicht will. Ein Leben lang durchhalten zu müssen, ist ein ganz schön großes paar Schuhe, für das man ganz schön große Füße braucht. 


Durch viele Dinge im Leben müssen wir alle durch, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen andauernd irgendwo durchhalten oder irgendwas aushalten. „Halt durch!“ ist so ein liebgemeinter Satz von anderen, der mir in anstrengenden Phasen manchmal aus den Ohren heraushängt. 

In die Schule gehen, Zähneputzen, Arbeiten, Magen-Darm-Viren, Erkältungen und Wohnung putzen: All dies sind Sachen, um die kommen wir nicht herum (zumindest die meisten von uns). Man kann vieles davon auch vor sich herschieben, aber früher oder später eben nicht mehr. Was die aufgezählten Dinge aber alle an sich haben, was sie ein wenig erträglicher macht: wir alle müssen da durch. Zumindest der größte Teil der Erdbevölkerung. 


Bei einer chronischen Krankheit ist der Anteil derer, die im selben Boot sitzen, etwas geringer. Im Gegensatz zu einer Krankheit, die nur vorübergehend da ist, ist sie nämlich immer da und bleibt auch für immer. Obwohl die Basics dieselben sind, ist das Leben doch ein anderes. Und nicht nur der Tagesablauf ist ein völlig anderer, auch Prioritäten sind – ob wir wollen oder nicht - andere. Gratis dazu gibt es Sorgen, Ängsten und Einschränkungen in großen Mengen. Bildlich gesprochen, würde ich sagen, mit einer chronischen Krankheit hat man bei einem Kartenspiel also eher den schwarzen Peter gezogen. Nicht nur unsere Zeit, unsere Gedanken und unsere Planungen müssen wir mit unserem treuen Begleiter teilen. Nein er bringt auch ziemlich viele Dinge mit sich, die man von außen so nicht sieht. 

Pause oder Urlaub gibt’s eigentlich nicht so wirklich. Zumindest nicht von den Dingen, von denen man manchmal gerne Urlaub hätte. 

Er ist wie so ein selten charmanter und trotzdem ziemlich treuer Begleiter.  


Ja, eine chronische Krankheit verlangt äußerstes Durchhaltevermögen. Wir müssen tapfer sein. Immer wieder aufstehen, wenn wir hingefallen sind und stark sein, egal wie sehr wir der Meinung sind, dass wir nicht mehr können. Egal wie groß die Wut im Bauch ist, dass die Welt ganz schön ungerecht ist. Egal wie doll es wehtut, sich einzugestehen, dass es wahrscheinlich nie anders sein wird. Einen Sport kann man aufgeben, man kann andere Wege gehen und eine Zeit hinter sich lassen. Aber eine chronische Krankheit bleibt für immer. 


Was ich über all die Zeit gelernt habe. Man muss einen verdammt langen Zeitraum durchhalten, um es tatsächlich zu lernen: wie man etwas lange durchhält. Dank dieser Erkenntnis habe ich festgestellt, dass dies für alle Bereiche im Leben gilt: Sei es im Sport, im Berufsleben oder im gesundheitlichen Kontext. Nur dadurch, dass man gezwungen ist, oder sich selber zwingt etwas zu tun, wird durchhalten irgendwann zur Routine. Man lernt mit der Situation umzugehen. 

Irgendwann denkt man nicht mehr über alles nach. Ich hinterfrage mittlerweile nicht mehr alles. Ich tue es einfach. 




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Kommentare: 1
  • #1

    Thyra (Montag, 03 September 2018 16:26)