Nein zu sagen braucht Mut. Für ein Nein braucht man manchmal mehr Stärke als für ein Ja und in vielen Fällen benötigt ein Nein eine gute Begründung, oder sogar eine Rechtfertigung. Je nachdem, wen man gerade vor sich hat, kostet das Kraft. Ein Ja ist manchmal so einfach dahingesagt. Klar. Kein Problem. Kann ich machen. Wenn man aber eigentlich nein meint, trotzdem aber ja sagt, entsteht Stress in uns. Ob chronisch krank, oder nicht.
Wir wollen es so oft anderen Recht machen, haben Angst vor einer negativen Reaktion oder wollen einfach den leichteren Weg, widerstandsärmeren Weg gehen. Hinzu kommt: Wer ja sagt, wer eben nochmal etwas erledigt, Dinge möglich macht, die eigentlich unmöglich sind und doch noch abends vorbeikommt ist cool. Zumindest cooler als Jemand, der immer nein sagt. Coole Leute, die alles souverän auf die Reihe bekommen, werden gemocht - und zwar von allen. Zu diesen coolen Leuten will man dazugehören. Natürlich. Wer will schon als uncool und nicht so beliebt dastehen? So ist zumindest das allgemeine Bild eines coolen Typen, der Jeder gerne wäre. Ob es den wirklich gibt und ob der coole Typ wirklich immer ja sagt, souverän und immer cool ist, sei mal dahingestellt. Die Realität sieht nämlich häufig anders aus. Vor allem dann, wenn wir ein paar mehr Pflichten außer cool sein haben.
Jeder kennt die Bredouille. Wir sind erschöpft, haben einen anstrengenden Tag hinter uns und werden um etwas gebeten. Uns fehlt die Kraft oder die Lust unser Nein zu rechtfertigen, wir haben Angst vor einer negativen Reaktion – oder sogar einer negativen Konsequenz – und unbeliebt wollen wir uns auch nicht machen. Aber da wir schon gestern, letzte Woche und gefühlt die ganzen letzten Monate nein gesagt haben, haben wir das Gefühl, dass wir dem Anderen ein Ja schulden. Das ist leider ein Irrglaube. Wir schulden nämlich eigentlich niemandem ein Ja. Und schon gar nicht, wenn dieses Ja aus Schuldgefühlen heraus, zu Kosten unserer Energie, oder unserer Gesundheit geht.
Ein innerer Konflikt, der schnell zu einem Ergebnis führen kann, das Kraft kostet. Da wir aber trotzdem cool, oder zumindest „normal“ sein wollen, bezahlen wir so häufig diesen Preis - auch wenn er hoch ist. Dabei verdrängen wir, dass die Konsequenz die ist, dass wir mit unseren Ressourcen bezahlen. Wir bezahlen das Ja mit unserer Zeit, mit unserer Energie oder mit dem Verzicht auf etwas anderes. Meistens hat dies zur Folge, dass wir woanders Abstriche machen müssen. Wir spüren, dass wir uns nicht für uns, sondern gegen uns entscheiden. Und das fühlt sich mies an. Wir verleugnen das, was unser Bauch sagt und tun das was unser Kopf will. Auch wenn das scheinbar gute Gefühl (das wir cool sind und Ja sagen) nur ein Bruchteil der Zeit bleibt, die wir das Ja ausbaden müssen. In den meisten Fällen ist es das nicht wert, weil wir uns indirekt verleugnen und unseren Selbstwert senken. Unser Gegenüber ist nämlich gerade scheinbar wichtiger als wir selber.
Ich bewundere häufig andere, die, wenn ich sie um etwas bitte, nein sagen. Die ihre Prioritäten ganz klar setzen. Die keine Angst davor haben, etwas abzulehnen. Wie häufig frage ich mich: „Verdammt, wovor hast du Angst?“ – und sage trotzdem ja.
Eine Frage, die man sich stellen sollte ist nicht, was mag sich mein Gegenüber denken, wenn ich nein sage, sondern, was bin ich mir selber wert? Möchte ich wirklich meine Zeit, meine Energie und meine Ressourcen für etwas hergeben, zu dem ich eigentlich lieber nein sagen würde? Und ja – meine Zeit ist genauso viel wert wie die Zeit von anderen. Und ich selber bin es mir auch wert, zu mir zu stehen!
Wie man dieses Dilemma vermeidet?
Mir hilft Klarheit. Ich versuche mir vorher klar zu machen, was drin ist und was nicht, wozu ich Ja sagen möchte und wozu nicht. Je klarer einem das ist, was man wirklich möchte, desto leichter fällt es einem auch, dies zu kommunizieren.
Der zweite Punkt ist die Konsequenz, die ein Ja oder ein Nein bedeutet. Wie hoch ist der Preis, den ich für ein Ja zahlen muss? Ist er das wirklich wert? Wenn man sich vorher klar macht, was die Konsequenz unserer Reaktion ist, spüren wir nochmal deutlicher, was wir wirklich wollen.
Sich die Zeit nehmen, um eine Entscheidung zu treffen. Klar, jeder möchte eine schnelle Antwort. Aber wir sind keinem verpflichtet, sie ihm auch zu geben. Sich einen Moment Zeit zu nehmen, um zu überlegen ist okay und hilft zumindest mir in vielen Fällen.
Der letzte Punkt ist der Kompromiss. Zwischen Ja und Nein liegen 100%. Wir sind manchmal so blind und wollen genauso sein, wie die coolen Leute. Zwischen Ja und Nein ist aber eben noch eines möglich, das vergessen wir häufig.
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