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Der Dämon in mir.

 

Es gibt bestimmte Dinge in unserem Leben, denen wir aus dem Weg gehen. Dinge, an die wir am liebsten keinen Gedanken verschwenden wollen. Sie machen uns Angst, lösen Wut oder Scham aus oder machen uns unendlich traurig.

Jeden quält eine ganz individuelle Sache. Und jeder weiß, dass man sich früher oder später zumindest gedanklich damit auseinander setzen muss.

Die Zukunft. Davor habe ich Angst. Nicht die Zukunft im Allgemeinen. Es ist die CF-Zukunft, die mir manchmal Angst macht. Die Ungewissheit. Was wird kommen, was bedeutet das dann und bin ich darauf überhaupt vorbereitet? Wie ein Dämon springt sie mich an, die Angst vor dieser Zukunft.

In meinem Alltag, wenn es mir gut geht, ist auch der Dämon nicht da. Keine Ahnung wo er ist, aber dann ist auch diese ungewisse Zukunft kein Angst-Thema für mich. Dafür bin ich sehr dankbar, dass sie mich nicht auf Schritt und tritt begleitet.


Dann wiederum, an Abenden, an denen ich einen traurigen Film sehe, wenn es mir gesundheitlich schlecht geht, oder wenn es einem Freund oder Freundin, die auch CF haben, besonders schlecht geht, kommt für eine Millisekunde dieser Dämon und packt mich. Sobald er da ist - ich weiß nicht wie, schaffe ich es aber immer in kürzester Zeit ihn wieder wegzuzaubern. Oder zu verdrängen, je nachdem. Da ich mir häufig gar nicht die Zeit dafür nehme, mich wirklich mit der Angst oder auch dem Zukunftsthema auseinanderzusetzen, lasse ich es überhaupt nicht dazu kommen, wirklich hinzusehen.

Letzte Woche war ich bei einer wunderschönen Lesung einer CF Betroffenen. Sie hat aus ihrem Buch vorgelesen. Eine unglaublich inspirierende, beeindruckende und beeindruckend unaufgeregte Frau. Eine Schauspielerin, die vor einigen Jahren transplantiert wurde. Ich bewundere sie für ihre Kraft, ihren starken Willen und die Lebensfreude, die sie trotz aller Hochs und Tiefs nicht verloren hat. Ich beobachtete sie und hörte ihr zu, wie sie aus ihrem Leben vorlas. So viele Momente, von denen sie erzählte, kannte ich so gut aus meinem eigenen Leben. Es war, als hätte sie diese Momente ganz genauso erlebt und empfunden, wie ich. Vor allem berührten und fesselten mich aber die Momente, in denen sie eigentlich nicht mehr konnte und trotzdem eine unglaubliche Kraft aufbrachte, um das unmögliche möglich zu machen. Etwas, was ich auch immer tue. Auch wenn ich weiß, dass es nicht gut für mich ist.

Kurz bevor die Lesung endete, bemerkte ich, wie mir die Tränen herunterliefen. Während ich ihren Worten lauschte, hatte ich diese schmerzliche Erkenntnis, dass wir manchmal andere brauchen, in denen wir uns gespiegelt sehen. Andere, die dasselbe oder ein ähnliches Thema haben. Andere, an denen wir merken, wie sehr wir manche Dinge verdrängen und unterdrücken, um uns nicht dem Schmerz stellen zu müssen. 
Bei sich selber sieht man so wenig hin – oder besser – so häufig weg! 
Vielleicht weil man die Wahrheit nicht ertragen will, vielleicht aber auch, weil man Angst vor dem hat, was nach der Wahrheit kommt. Bei anderen hingegen können wir vollkommen ungeniert hinsehen.

Nein, so ein Moment, wie diese Lesung letzte Woche nimmt mir nicht die Angst und macht sie auch nicht weniger intensiv. Aber es tut gut, die Angst einfach mal zuzulassen. Dem Dämon einmal in die Augen zu sehen und ihn dann wieder liebevoll wegzuschicken. Denn auch dieser Dämon hat wie jedes unserer Gefühle seine Daseinsberechtigung.

 

 

 

 




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Kommentare: 5
  • #1

    Franzi (Samstag, 27 Oktober 2018 17:50)

    <3

  • #2

    Thyra (Dienstag, 30 Oktober 2018 11:05)

  • #3

    Maike (Donnerstag, 22 November 2018 19:27)

    That‘s damn brave

  • #4

    Lalilu (Samstag, 09 Februar 2019 10:21)

    Seit letzter Woche wissen wir, dass unser kleines Wunschmädchen an CF erkrankt ist. Es ist zwei Monate alt. Ich mache mir so viele Gedanken über unsere Zukunft.
    Momentan sieht alles so düster aus.

  • #5

    Verena (Freitag, 12 April 2019 17:25)

    Sehr schön geschrieben, ich kenne diesen Dämon auch. Hab auch CF.